
Schlechte Finanzlage Bund muss Hilfe für Krankenkassen vorziehen
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist aus Sicht der neuen Gesundheitsministerin ein "Notfallpatient": Weil ihre Geldpolster stark geschrumpft sind, muss der Bund mit einer Millionenspritze aushelfen - und zwar früher als gedacht.
Die angespannte finanzielle Lage der Krankenkassen zwingt den Bund dazu, seine Finanzhilfe vorzuziehen. Das Gesundheits- und das Finanzministerium einigten sich darauf, 800 Millionen Euro Bundeszuschuss bereits Mitte Mai zur Verfügung zu stellen, um die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds aufzufüllen. Zuerst hatte das Handelsblatt darüber berichtet.
Hintergrund der Entscheidung ist, dass die Reserve des Fonds - der Geldsammel- und -verteilstelle der Kassen - die vorgegebene Mindestmarke unterschritten hat. Diese liegt bei 20 Prozent der durchschnittlichen Monatsausgaben. In den Fonds fließen die Beiträge gesetzlich Versicherter und ihrer Arbeitgeber ein. Um die Beiträge stabil zu halten, erhält der Fonds Steuermittel in Form eines jährlichen Bundeszuschusses. Der Gesundheitsfonds verteilt die Mittel anschließend an die Krankenkassen.
Lage der GKV laut Ministerin dramatischer als angenommen
"Die Lage der GKV ist dramatischer als ohnehin angenommen", sagte die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken dem "Handelsblatt". Sie übernehme ein System in "tiefroten Zahlen". Dass die vorgeschriebene Liquiditätsreserve bereits unterschritten sei, sei ein "erster Warnschuss". Die CDU-Ministerin bezeichnete die GKV als "Notfallpatienten".
Der GKV-Spitzenverband sieht großen Handlungsbedarf. "Die aktuelle Diskussion über mögliche Liquiditätsengpässe des Gesundheitsfonds zeigt, wie ernst die finanzielle Lage der GKV insgesamt ist", teilte der Verband der Zeitung mit.
Koalition will Finanzlage gesetzlich stabilisieren
Im vergangenen Jahr hatten die Kassen laut Schätzungen ein hohes Defizit von 6,2 Milliarden Euro eingefahren. Die Krankenkassen hatten deshalb zum Jahresanfang ihre Beitragssätze so kräftig anheben müssen wie seit mindestens 50 Jahren nicht mehr. Gründe für das Defizit sind eine immer älter werdende Gesellschaft sowie teurere Medikamente und Krankenhausbehandlungen. Zudem wurden die Krankenkassen teilweise auch durch den Gesetzgeber angehalten, ihre Rücklagen aufzubrauchen.
Für den Fall, dass die Reserve die Marke von 20 Prozent der Monatsausgaben des Fonds zu unterschreiten droht, gibt es Mechanismen zum Sichern der Zahlungsfähigkeit der Kassen, wie das Gesundheitsministerium erläuterte. Möglich ist demnach unter anderem, Teile des üblichen Bundeszuschusses von zuletzt 14,5 Milliarden Euro pro Jahr vorzuziehen.
Union und SPD streben laut Koalitionsvertrag eine Stabilisierung der Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung an. Vorschläge für eine umfassende Reform soll eine Kommission bis Frühjahr 2027 vorlegen. Die Bundesärztekammer hatte am Dienstag an die Politik appelliert, schneller zu reagieren.