
Verbot von "Reichsbürger"-Verein Was ist das "Königreich Deutschland"?
Eine eigene Währung, eigene Banken und Ausweise: Die "Reichsbürger"-Vereinigung "Königreich Deutschland" wollte ihren eigenen Staat errichten. Wer steckt hinter der nun verbotenen Gruppe? Und wie gefährlich ist sie?
Seit den frühen Morgenstunden sind bundesweit Gebäude und Wohnungen der "Reichsbürger"-Gruppierung "Königreich Deutschland" durchsucht worden. Die Bundesanwaltschaft ließ vier Männer festnehmen, die als Köpfe des Vereins gelten. Gleichzeitig sprach Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ein Vereinsverbot gegen die Gruppe aus.
Was ist das "Königreich Deutschland"?
Das "Königreich Deutschland" gilt als derzeit größte Vereinigung sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter. "Nach außen hin reklamiert es aggressiv eigene Staatlichkeit - untermauert etwa durch eigene Verfassungs- und Gesetzgebung - und stellt das Gewaltmonopol der Bundesrepublik infrage", erklärt das Bundesinnenministerium.
Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang beschreibt das "Königreich Deutschland" als "eine besonders gefährliche Gruppierung der Reichsbürgerszene", die ihre demokratiefeindliche und antisemitische Agenda überaus aggressiv und mit großer krimineller Energie verfolgt habe. Ihr Ziel sei es, einen außerhalb der deutschen Rechtsordnung stehenden "monarchischen Fantasiestaat" zu errichten.
Welches Konzept steckt dahinter?
Ziel der Gruppe sei es, das System der Bundesrepublik Deutschland durch ihr eigenes zu ersetzen, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Mitglieder sollten demnach etwa von der Steuer- und Sozialabgabepflicht befreit sein. Dafür habe die Gruppierung eine eigene Währung, ein eigenes Bank- und Versicherungssystem und ein Meldeamt mit fiktiven Ausweisdokumenten geschaffen.
Finanziert wurde die Gruppe laut Bundesanwaltschaft vor allem durch verbotene Bank- und Versicherungsgeschäfte sowie über Spenden und Einnahmen aus Seminaren. Für neue Anhänger gab es "Systemausstiegsseminare". Zudem wurden demnach Gelder durch das Anwerben von Unternehmen eingenommen, denen im Gegenzug in Aussicht gestellt wurde, über den Verein umsatz- und sozialabgabenfrei ihre Waren und Dienstleistungen vertreiben zu können.
Wie groß ist die Gruppe?
Die Gruppierung hat nach eigenen Angaben bundesweit etwa 6.000 Anhänger. Die Sicherheitsbehörden gehen allerdings von lediglich rund 1.000 Anhängern aus. Betroffen von Durchsuchungen und Festnahmen waren Mitglieder in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg.
Wer ist der Beschuldigte Peter Fitzek?
Der in Sachsen-Anhalt geborene Peter Fitzek gründete 2012 in Wittenberg das "Königreich Deutschland" und leitete es als sogenannter "Oberster Souverän". Laut Bundesanwaltschaft verfügte er als solcher "über die Kontrolle und Entscheidungsgewalt in allen wesentlichen Bereichen". So habe er etwa die ideologische Ausrichtung bestimmt und eigene "Gesetze" erlassen.

Peter Fitzek bezeichnete sich als "Oberster Souverän" im sogenannten "Königreich Deutschland".
Wer sind die anderen Beschuldigten?
Die Bundesanwaltschaft ließ neben Fitzek heute auch drei mutmaßliche Rädelsführer des "Königreichs Deutschland" festnehmen. Zwei von ihnen sollen ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung zählen und als Fitzeks Stellvertreter handeln. Der dritte Mann trat demnach 2013 der Gruppe bei und war für die Finanzen zuständig. Die Bundesanwaltschaft legt ihm zur Last, Fitzek bei unerlaubten Einlagengeschäften geholfen zu haben.
Drei der vier festgenommenen Männer sind inzwischen in Untersuchungshaft - unter ihnen auch Fitzek, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof setzte einen Haftbefehl in Vollzug.
Was sagt die Bundesregierung zum Verbot?
"Das Ziel dieser Vereinigung ist es, einen sogenannten Gegenstaat zu gründen und sich von der Bundesrepublik Deutschland abzuspalten", sagte Innenminister Dobrindt. Ihren vermeintlichen Herrschaftsanspruch hätten die Mitglieder der Vereinigung auch durch antisemitische Verschwörungserzählungen untermauert. Dieses Verhalten könne ein Rechtsstaat nicht dulden. Es handele sich bei den Mitgliedern der Vereinigung keineswegs um "harmlose Nostalgiker", sondern um kriminelle Strukturen, sagte der Minister.
Auch Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) erklärte, "Reichsbürger" seien "Feinde unserer Demokratie - keine harmlosen Sonderlinge".
Hat der Zeitpunkt mit dem Regierungswechsel zu tun?
Nein. Einen extremistischen Verein kann zwar nur der jeweilige Bundesinnenminister beziehungsweise die Bundesinnenministerin aussprechen. Ausschlaggebend für den Zeitpunkt waren nach Angaben aus Sicherheitskreisen aber ermittlungstaktische Gründe. Die Vorbereitungen des Vereinsverbots liefen nach Dobrindts Worten bereits seit Wochen. Sie begannen somit noch in der Amtszeit seiner Vorgängerin Nancy Faeser (SPD).
Wie liefen die Durchsuchungen und Festnahmen ab?
Polizeikräfte der Länder tauchten am frühen Morgen gleichzeitig an verschiedenen Orten in mehreren Bundesländern auf. Laut Bundesinnenminister Dobrindt waren insgesamt 800 Beamte an den Durchsuchungen und Festnahmen beteiligt. Ein Schwerpunkt war im sächsischen Halsbrücke. Hier liegen der Hauptsitz des selbst ernannten "Königreichs" und der Wohnort von Fitzek.
Wie gefährlich ist die Gruppe?
Viele "Reichsbürger" sind waffenaffin. Für die nun verbotene Gruppierung, die auch in sozialen Netzwerken um Anhänger warb, gilt das nicht. Es wurden bisher "keine relevanten Waffen" gefunden, berichtete Dobrindt nach Beginn der Durchsuchungen.
Gibt es Verbindungen zu anderen "Reichsbürger"-Vereinigungen?
Über enge Kontakte zu anderen "Reichsbürger"-Gruppen ist nichts bekannt. Das ist unter Extremisten, die der Verfassungsschutz zum Spektrum der "Reichsbürger und Selbstverwalter" zählt, auch nicht ungewöhnlich. Schließlich geht es bei diesen Gruppen, die teils rechtsextremistisches Gedankengut verbreiten, oft darum, eine eigene Gegen-Autorität zu schaffen.
Laut Bundesinnenministerium gibt es derzeit neben dem nun verbotenen Verein noch rund 40 weitere "König- und Kaiserreiche".